Cover Libido Depot Cover Geistige Blaehungen 4+5

mir beim Verfassen meiner Texte gedacht hatte. (Eine Ende der achtziger Jahre spielende Kurzgeschichte habe ich auch, sie heißt Erschütterungen, stammt aus meinem Buch "Jahrzehnt der Wechseljahre" und ihr könnt sie hier lesen. Wer sich insgesamt für das Thema "Punk in den Achtzigern" interessiert, sollte sich jenes Buch downloaden, denn es enthält fünfzehn meist in der Punkszene spielende Short-Stories.)
    Die fünfte Ausgabe der "Geistige Blähungen" erschien Ende 1988 und sollte sich als die letzte erweisen, denn kurz danach endete überraschend eine langjährige Beziehung und ich fiel in ein seelisches Loch, konnte mich zu keinerlei Art der kreativen Betätigung mehr aufraffen. Wie es bei vielen Menschen in einer ähnlichen Situation der Fall ist veränderte ich nach Durchschreiten eines tiefen Tales der Depression mein Äußeres. Eine Frisur aus langen Dreadlocks und tätowierte Arme waren die Erkennungsmerkmale vieler Hardcoremusiker und so wollte ich auch aussehen. Also ließ ich mir in einem Düsseldorfer Studio erste Bilder unter die Haut stechen und da ein Freund in Spanien gelernt hatte wie man Kopfhaare nachträglich zu Dreadlocks verfilzt unterzog ich mich dieser sehr langwierigen und teilweise schmerzhaften Prozedur ( LabernLabermeia: Tätowierungen waren Ende der Achtziger auf Mitglieder subkultureller Gruppen beschränkt und gesellschaftlich geächtet, kein Vergleich zu der heutigen Zeit, in der auch die spießbürgerlichste Arzthelferin irgendwo tätowiert ist. Und um einen Menschen mit Dreadlocks zu sehen hätte ich mindestens bis Düsseldorf oder ins Ruhrgebiet fahren müssen, im Köln/Bonner Raum hatte außer irgendwelchen Rastafaris niemand so eine Frisur.)


Dreads Die Musik wird schneller, die Haare dicker:
Hardcore 1989

    Zu Beginn der Neunziger wurde Hardcore immer kommerzieller, wurde eine weitere bis zur Unkenntlichkeit kommerziell ausgebeutete und allgemein akzeptierte Musikrichtung und verlor dadurch langsam aber sicher seinen Reiz für mich. Nichts mehr war von dem rebellischen Geist zu spüren der die Hardcoreszene in ihren Anfangstagen erfüllt hatte, nichts mehr von den damaligen deutlichen Bezügen zu Punk, die von einem Selbstverständnis als "Punk ohne Dreck und Müll" oder "Punk mit anderen Mitteln" gekündet hatten. Stattdessen spielten angesagte Bands in immer größeren Hallen und das Publikum hatte sich für mich unangenehm gewandelt. Die ehemaligen Punks waren verschwunden und durch Horden von 08/15-Fußgängerzonen-Jugendlichen ersetzt worden, die sich oft nur durch das Tragen eines bunten Band-T-Shirts als "Hardcore" fühlten. Immer öfter wurde ein Konzertbesuch zu einer schweißtreibenden Qual, denn war früher das "Stage-Diving" nur gelegentlich und als Ausdruck der Musikbegeisterung praktiziert worden, wurde es nun ständig gemacht und in der Regel von irgendwelchen Jugendlichen die dadurch ihr "Hardcore"-Sein beweisen wollte. Oft bekam ich von der Musik überhaupt nichts mehr mit, da ich vor der Bühne unaufhörlich damit beschäftigt war dicke Kinder in die Luft zu stemmen. Außerdem stellte ich immer öfter fest, dass ich in großen Plattenläden nach Tonträgern bekannter Punkbands statt nach Veröffentlichungen von Hardcorebands suchte, sich also mein Musikgeschmack von Hardcore weg und herkömmlichen Punkbands wieder zu wandte. Sogar mein Aussehen veränderte sich, auch wenn der entscheidende Anlass zu dem Wandel eher zufälliger Natur war. Als in der wöchentlich in der ARD zu sehenden Endlosserie "Lindenstraße" eine Figur namens "Momo" auftauchte, die eine ähnliche Frisur wie ich trug und die für mich ein weinerlicher Hippie war, reichte es mir und ich schnitt mir meine mich seit einiger Zeit sowieso immer mehr nervenden Dreadlocks wieder ab. Auf keinen Fall wollte ich wegen dieser Frisur für einen weinerlichen Hippietypen gehalten werden.
   In dieser Zeit lernte ich in Bonn einige junge Punks um die ehemalige Hardcore- und nun Punkband “Hammerhead“ kennen, und gemeinsam beschlossen wir ein Punkfanzine namens “Suburbia“ herauszubringen. Aber außer den Punks um “Hammerhead“ gab es in Bonn noch weitere junge Punks, deren Enthusiasmus mir sehr zusagte und bei denen nichts mehr an die Destruktivität und den Hang zur Selbstzerstörung erinnerte die die Punkszene Mitte der Achtziger geprägt hatte. Ebenso stellte ich erstaunt fest, dass viele Skinheads (die ich jahrelang nur als Feinde der Punks und extrem nationalistisch eingestellte Gewalttäter erlebt hatte) nichts mehr mit "rechts" zu tun haben wollten und sich stattdessen an den Idealen der ersten Skinheadbewegung Ende der Sechziger in England orientierten.




Durch die Arbeit für das “Suburbia“ erwachte die Lust zu schreiben erneut in mir, und sogar die Arbeit am lange unbeachteten Geschichtenanfang "Meia, Hotte und Co. KG" (des späteren Romans "Wurmterror") nahm ich wieder auf, führte die Story weiter und veröffentlichte den Anfang als Fortsetzungsroman im Fanzine. Aber als folgenreichste Änderung entpuppte sich die Anschaffung eines Computers (mehr dazu in"'Meia und Computer'"). Statt einer Schreibmaschine einen PC für die Fanzineerstellung zu nutzen stellte sich schnell als eine gewaltige Erleichterung heraus und offenbarte immer wieder neue Möglichkeiten der Text- und Bildbearbeitung.
Cover Suburbia 1-3     Als fast ebenso folgenreich entpuppte sich ein Aufruf zu den "Chaos-Tagen 94" in Hannover, die eine Art Revivaltreffen zehn Jahre nach den schlagzeilenträchtigen und wegweisenden (auch wenn die Folgen für viele anders als gedacht gewesen waren) "Chaos-Tagen 1984" waren. Diesmal fuhr ich auch hin und hatte sehr viel Spaß: viele Punks einer enthusiastischen neuen Generation, Live-Musik, Unmengen von pisswarmen Flaschenbier, Festnahme und Inhaftierung und am Tag danach ein großes Bild von mir in einer hannoverschen Tageszeitung. ( LabernLabermeia: "Einer der letzten am Sonntagabend aus der Haft entlassenen Punks war "Suburbia"-Mitarbeiter W., dessen Freilassung ich abends im Fernsehen bei "Spiegel-TV" sehen konnte.") Nicht nur in mir erwachte nach den "Chaos-Tagen 94" eine neue Begeisterung in Bezug auf Punk. "Von Punk zu Hardcore und zurück" lautete ein in Fanzines viel zitierter Slogan nach diesem Treffen und passte wie "die Faust aufs Auge", denn viele der alten Punks die nach den "Chaos-Tagen 1984" der Punkszene entnervt den Rücken zugewandt hatten und sich fortan in der entstehenden Hardcoreszene engagiert hatten, vollzogen nun eine gegenläufige Entwicklung, wandten sich von der immer kommerzieller werdenden Hardcoreszene ab und der jungen Punkszene wieder zu, ein Revival ohne in wehmütige Erinnerungen zu verfallen.

Cover Suburbia 4+5
Als Redner 1995 auf dem APPD-Parteitag in Homburg Ausflug in die Politik:
Als Redner 1995 auf dem APPD-Parteitag in Homburg
   

Moses vom "ZAP" und Karl Nagel initiierten eine Neugründung der legendären "APPD" und ich schloss mich begeistert dieser Politikpersiflage an. Schon in den Achtzigern fand ich diese Partei gut, die schwachsinnige Forderungen stellte und herkömmliches Politikgebaren durch verschiedene Aktionen auf die Schippe nahm. Schon bald übernahm ich eine parteiinterne Funktion, betrieb die "Zentrale Erfassungsstelle der APPD", stellte Parteiausweise her und verschickte sie unter dem Namen meiner damaligen Freundin Angelika.

    Mit diesmal mindestens dreimal so vielen Leuten wie im Vorjahr fuhren wir auch 1995 zu den "Chaos-Tagen" nach Hannover. Wie schon im letzten Jahr erwartete uns ein abwechslungsreiches Gesamtprogramm, auch wenn diesmal der unterhaltsame Teil zu Gunsten eines anderthalbtägigen Turnhallenaufenthaltes gekürzt wurde. Leider erschien diesmal kein Foto von mir in irgendeiner der am Nachtag erworbenen Zeitungen, aber dafür erlebte ich ein Déjá Vu, als ich in den journalistischen Eventkritiken von geschehenen Ereignissen las, die ich selbst in meinem schmalen freiheitlichen Zeitfenster nie miterlebt hatte obwohl ich mich am gleichen Ort wähnte. Scheinbar waren wir alle in die falsche Stadt gereist. ( LabernLabermeia: "Die Festnahme durch die hannoversche Polizei erfolgte höchstwahrscheinlich aus dem Grund, dass viele der Bonner Punks vor Tagen im Sperrmüll gefundene "PLUS"-Verkäuferinnenkittel trugen. Die Beamten nahmen wohl an, dass wir gerade ein Geschäft dieser Supermarktkette überfallen, geplündert und zerbrandschatzt hätten. Jedenfalls wurden wir alle zu Boden geworfen, gefesselt, unsere scheißnassen Gesichter in den Sand gedrückt und so eine ungründliche Antlitzpanierung durchgeführt. Danach durfte ich mir noch erstaunte Kommentare eines Polizisten anhören als dieser ungläubig meinen Parteiausweis betrachtete.")
    Zu Ende der Neunziger schlief das "Suburbia"-Fanzine langsam ein, aber schon Jahre vorher hatte ich erneut starkes Gefallen an der Schreiberei gefunden und veröffentlichte nun Kurzgeschichten, Erzählungen Kolumnen und Bandinterviews in den unterschiedlichen Fanzines, egal ob es auflagestarke und fast schon "Magazin" zu nennenden Hefte waren oder kleine und nur recht selten erscheinenden Zines. Auch schrieb ich in dieser Zeit sehr viele Gedichte (und dass, obwohl ich Lyrik eigentlich nicht mag) von denen ich euch die vier meiner Meinung nach besten hier zur Lektüre anbieten möchte, und tauschte diese in meiner Stammkneipe entsprechend meiner Entlohnungsattitude gegen Bier und Pistazien ein.
    Sogar Schlagzeug spielte ich wieder, obwohl ich nach einigen unergiebigen Bandprojekten in den neunziger Jahren meine musikalische “Karriere“ eigentlich bereits als abgeschlossen angesehen hatte. Die Band nannte sich