Jahrzehnten in der Fabrik hatte ich diese Fähigkeit sehr selten gebraucht, und auch in meiner Freizeit schrieb ich auch so gut wie nie mit der Hand, benutzte stets eine Tastatur oder Schreibmaschine dafür. Von einer typischen Schulstunde handelt diese kleine Shortstory:
Schülerausweis 2000  Zu dieser Zeit sorgten einige Höhepunkte für Abwechslung in der oftmaligen Gleichförmigkeit im Computerladen. Den ersten erlebte ich als ich erstmalig einen Neurechner für einen Kunden bauen durfte, und im Laufe der Monate folgten weitere. Zum Beispiel der Auftrag den innerbetrieblichen Server umzurüsten (ein in einem kleinen Nebenraum stehendes Big Tower-Skelett ohne jegliche Abdeckungsteile in dem sich nur Netzteil, Hauptplatine und mehr als ein halbes Dutzend Laufwerke befanden), ein wenig Telefonhotline (Echt schönes Wort. In der Realität galt es irreführende Kundenaussagen am Telefon richtig zu interpretieren oder sich schier endlos Fehlermeldungen vorlesen zu lassen) ab und zu etwas Außendienst (es gibt wohl wenige Computertechniker die mit dem Fahrrad zu Kunden fahren) und immer wieder Neuinstallationen von Windows 98 SE.
  Durch die häufige Wiederholung konnten wir alle diese Windows-Version fast im Schlaf installieren, und so war es für mich auch kein Problem, als ich für einen griechischen Kunden ein griechischsprachiges Windows installieren musste. Zwar konnte ich keinerlei Text verstehen, aber das musste ich auch nicht, denn allein am Zeitpunkt des Auftauchens bestimmter Meldungsfenster und deren Aussehen war zu erkennen ob die Installation korrekt ablief oder ob es sich um eine Fehlermeldung handelte. Zum Glück tauchte eine solche hierbei nicht auf, denn sonst hätte ich einen griechischen Bekannten zu Rate ziehen müssen.
  Außerdem erwiesen sich manche der uns von Kunden zur Reparatur überlassenen Problemrechner als abwechslungsreiche Problemstellungen. Die meisten Computer litten unter einem für uns alltäglichen Hard- oder Softwarefehler, bei seltenen Fällen war die Ursache der Störung eine etwas vertracktere Kombination aus beiden. Es war natürlich langweilig immer wieder das gleiche Problem lösen zu müssen, und so entstand ein interner Wettbewerb um die interessantesten Kundenrechner, denn jeder Techniker hatte den Wunsch sich einem exotischen und für Kurzweil sorgenden Problem widmen zu können. Verlierer waren jene die mit Routinefällen Vorlieb nehmen mussten. Der Arbeitszettelvermerk "Soundkarte geht nicht mehr" kündigte ein Routineproblem an, lautete dieser aber "Immer wenn Kunde Fenster öffnet stürzt der Rechner ab" war ein interessantes Problem erwartbar. ( Labern Labermeia: Wen es interessiert: Bei dem Rechner der eine Frischluftzufuhr mit sofortigem Stillstand quittierte, war eine fast leere BIOS-Batterie die Ursache der Funktionsweigerung. Mit neuer Batterie hatte der Computer keinerlei Probleme mit Temperaturschwankungen mehr.)
  Als sich meine Umschulung seinem Ende näherte, war ich der festen Überzeugung, bei Beginn dieser kaum Ahnung von Computern gehabt zu haben. Eine Einschätzung die verständlich erschien, denn durch die tägliche Konfrontation mit immer neuen Problemen und Lösung derer hatte ich wirklich viel dazugelernt.
  Da ich Umschüler war wurde meine Prüfung vorgezogen, sollte schon am Ende des zweiten Arbeitsjahres sein, zuerst eine schriftliche und dann eine praktische. Letztere musste ein selbstgewähltes Projekt enthalten, das zum Abschluss als eine Präsentation einer Bewertungskommission vorgeführt werden sollte. Wegen keiner der beiden Teilprüfungen umtrieben mich besondere Befürchtungen. Bei der theoretischen Prüfung sollte der Benotungsschwerpunkt auf den fachlichen Themen liegen und hierbei war ich gut (Computer- und Netzwerktechnik) bis ausreichend (Anwendungsentwicklung). Meine schwächeren Fächer wie Deutsch, Englisch oder BWL sollten zum Glück nur geringfügig bewertet werden. Bei der praktischen Prüfung wurde mehr Wert auf das Fachliche gelegt, bzw. auf die unterschiedliche berufliche Praxis der einzelnen Schüler. Ich selbst wollte mich der neuen Software Vmware widmen und zeigen wie man diese gewinnbringend in der täglichen Arbeit in einem Dienstleistungsbetrieb verwenden konnte.

Physiologischer Bluescreen

Leider spielte mir das Schicksal einen gewaltigen Streich und ich konnte nie eine dieser Prüfungen machen und mein berufliches Ziel erreichen. Im Herbst 2002 brach ich mir die rechte Hand, mein rechter Arm kam in Gips, ich wurde mehrmals hintereinander für einige Wochen krankgeschrieben, musste den Gips insgesamt sieben Wochen tragen. Die theoretische Prüfung wurde in dieser Zeit zweimal verschoben und ich suchte sogar mit Gipsarm meinen Arbeitsplatz auf um einhändig dringend nötige Vorbereitungen für die praktische Prüfung tätigen zu können.
  Als der Gips endlich ab war erkrankte ich an Grippe und hätte deswegen eigentlich einen Arzt aufsuchen müssen, wäre aber sehr wahrscheinlich wieder arbeitsunfähig geschrieben geworden. Das hätte mir überhaupt nicht in den Kram gepasst, ich wollte endlich die beiden Prüfungen machen. Also beschloss ich die entstandene Grippe wie mehrere dutzend Mal zuvor ohne Arztbesuch zu überstehen, ein entscheidender Fehler in meinem Handeln. Jedenfalls konnte sich die Grippe unkontrolliert ausbreiten und auf die Nebenhöhlen übergreifen. Ich weiß nicht, ob nun mein Immunsystem durch die Erkrankung entscheidend geschwächt war oder – wie ich im Internet las – jeder Mensch in den Nebenhöhlen inaktive Meningitis-Erreger besitzt die erst bei einer Entzündung gefährlich werden können. Auf alle Fälle schlug die Grippe von mir unbemerkt in eine bakterielle Meningitis um. Aber es kam noch schlimmer. Nur in seltenen Fällen löst eine Meningitis eine Hirnblutung aus, leider war ich so ein "seltener Fall". Ich wurde zuerst tot geschrieben (war aber nur ein bisschen tot), lag dann sechs Tage im Koma und wurde vier Wochen lang künstlich beatmet. Als ich nach vier Wochen aufwachte konnte ich nicht mehr hören und die Muskeln einer Gesichtshälfte waren gelähmt (Bei einem ersten Aufstehen später stellte sich sofort heraus, dass Gehen wegen extrem starker Gleichgewichtsstörungen auch nicht mehr funktionierte). Dieses Erwachen war nicht gerade sehr prickelnd, ich würde sagen, es war das ätzendste Erwachen meines Lebens.
  Nach einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus einige Wochen später erwartete mich die nächste Überraschung. Als ich dort zum ersten Mal an einem Computer saß wollte ich wie gewohnt etwas schreiben, aber auf dem Bildschirm erschien nur unleserlicher Buchstabensalat. Tippen Offenbar war meine Feinmotorik auch beschädigt, waren alle nach über zwanzigjähriger Übung im Gehirn gespeicherten Informationen über Muskelbewegungen beim Tippen unbrauchbar geworden, denn sie basierten alle auf einer gesunden Feinmotorik und da es diese Grundlage nicht mehr gab waren sie nun falsch und sorgten für Fehler.

Neustart nach Herunterfahren

Als ich nach langem Krankenhausaufenthalt im Frühling 2003 endlich wieder nach Hause kam war für mich als alleinlebender Mensch der nun noch kaum laufen oder hören konnte, ich zudem keine Familie habe oder damals auch kein Handy besaß, die Bedeutung von Computern für mein zukünftiges Leben klar: dieses Gerät war eine der wenigen Kommunikationsmöglichkeiten die mir noch zur Verfügung standen. Außerdem musste mindestens ein Computer immer mit dem Internet verbunden sein, da ohne Telefonieren das Internet die einzige Möglichkeit ist schnell zu Informationen zu kommen. Meine restlichen Ersparnisse verwendete ich um mir einen zweiten Computer nebst Drucker zu kaufen, und da ich noch den alten Pentium-Rechner hatte wurde dieser auch aktiviert und zum Einsatz gebracht. Ich verband alle drei Rechner per Netzkabel und meinen Hauptrechner ebenfalls per Kabel mit dem Internet, schloss einen Vertrag über eine DSL-Flatrate ab und konnte endlich endlos surfen.
  Zuerst machte ich am Computer alles zu dem mir früher als beruflich tätiger Mensch die Zeit gefehlt hatte, testete per LAN mögliche Fernsteuerungsarten, experimentiere mit virtuellen Computern und Emulatoren. (Ein Logopäde war damals sehr überrascht, als ich scheinbar plötzlich einen Macintosh-Rechner hatte, war es doch in der Woche vorher noch ein stinknormaler Windows-PC gewesen.) Außerdem erwarb ich beim Freemail-Anbieter GMX einen Promail-Account, da es als Prämie eine über USB anschließbare Armbanduhr gab die über eine interne Speichermöglichkeit verfügte. Speichermedien per USB gab es noch kaum, externe Festplatten waren teuer und die heute weit verbreiteten USB-Sticks kamen erst später auf den Markt. Um einen Rechner auch im Falle eines Totalausfalls aller Laufwerke bedienen zu können kopierte ich eine Boot-Diskette auf das kleine 32 MB-Speichermodul, machte die Uhr bootfähig und besaß nun eine Boot-Uhr um Computer in Notfällen von dieser starten zu können.
  DaVirus ich anfangs bestrebt war die Prüfung nachzuholen (Klappte aber nicht. Die IHK bestand 2004 darauf, dass ich erst einen neuen Arbeitgeber finden müsste. In der Praxis war diese Vorgehensweise natürlich illusionär. Vorschriftenfixierte Bürokraten sind halt oft mental so flexibel wie rostige Eisenstangen, da darf man sich über solche Ratschläge nicht wundern) las ich viel Fachliteratur und folgte dann einem Hinweis in der Computerzeitschrift c´t, schaute mir den 2003 aktiven Computerwurm Msblast in einem Hexadezimaleditor an. Wie dort gesagt war im Quelltext wirklich eine Hommage an Bill Gates verborgen. Das fand ich so lustig, dass ich direkt einen Screenshot des Anblicks speicherte. Falls ihr ihn sehen wollt:
  Natürlich wollte ich wieder so schnell wie früher, mit zehn Fingern und blind an der Tastatur schreiben können. Auch hierzu diente mir der Computer. Durch die Übungen einer Tippsoftware lernte ich alles neu, kam aber bei etwa einem Drittel meiner verlorenen Fähigkeiten (circa 130 Anschläge die Minute, halbblind statt blind, d.h. ich muss wegen der vielen Tippfehler auf den Monitor schauen) trotz täglichen Üben nicht mehr weiter. Aber das reichte mir, lieber nur ein Drittel von etwas als gar nichts.
  Keinerlei Möglichkeiten einer Verbesserung sah ich allerdings bei meinem Lieblingsspiel Quake 3 Arena. In den ersten Monaten nach meiner Erkrankung versuchte ich hierin oft Ablenkung zu finden, stellte aber schnell fest, dass es keinen Spaß mehr machte. Viel zu oft machte ich falsche und ungenaue Bewegungen die für einen raschen Tod meiner Spielfigur sorgten und ich so keinerlei Chance mehr hatte. Dies lag ebenso an der geschädigten Feinmotorik, denn nur mit funktionierenden Fähigkeiten ist man nicht ständig unterlegen. Andere Computerspiele als Alternative kamen nicht in Betracht, denn "Geräusche hören können" ist bei diesen von tragender Bedeutung (Vielleicht bei Moorhuhn nicht, aber ich rede hier von anspruchsvollen Egoshootern) und wenn diese Fähigkeit fehlt kommt man oft nicht über die ersten Spielszenen hinaus.