Durch meine unerwartete Erkrankung und deren Folgen entfiel die Möglichkeit eines Stadionbesuches, nicht nur weil ich körperlich dazu nicht mehr in der Lage war, sondern auch weil ich in den ersten Jahren danach wahrlich andere Dinge im Kopf als Fußball oder den 1. FC Köln hatte. Erst gegen Ende des Jahres 2006 begann mein Interesse an Fußball wieder eine große Rolle in meinem Leben zu spielen und der Wunsch ein Spiel des 1. FC Köln auf meinem Bildschirm sehen zu können (durch die Gleichgewichtsstörungen und der Tatsache stets für mich allein zu sein waren Gaststätten- oder gar Stadionbesuche extrem schwer zu realisieren) erfüllte mich, war es doch mittlerweile knapp vier Jahre her, dass ich eine Partie meiner geliebten Geißböcke komplett verfolgen konnte. Zudem spielte der FC nach einem vierten Abstieg wieder in der 2. Liga und deren Spiele wurden nur im DSF gezeigt, einen Fernsehsender den ich nicht empfangen konnte.smily So blieb mir nur die Möglichkeit des Lesens von Livetickern um in den Genuss aktueller Beschreibungen von Spielereignissen zu kommen. Aber mein Interesse am 1. FC Köln ging weit über das aktuelle Spielgeschehen hinaus und ich begann viel in verschiedenen FC-Foren zu lesen um so viel wie nur möglich über den Verein zu erfahren. Oft las ich mehrere Stunden am Tag, denn im Gegensatz zu früher hatte ich die Zeit dazu. Es verging fast ein Jahr bis ich erstmalig Erfolg hatte und endlich ein Spiel des 1. FC Köln visuell verfolgen konnte. Im Blog des KStA schrieb ich damals folgenden Artikel hierzu:
   2006 erzeugte die Verpflichtung von Christoph Daum für Euphorie in der Stadt, und auch ich trug mich in der Hoffnung, dass der 1. FC Köln nun endlich wieder Erfolg haben könnte, unter Christoph Daum als Trainer dauerhaft den Fahrstuhl in Richtung erste Liga verlassen könnte, um sich dann fern jeder Abstiegsängste in der Bundesliga zu etablieren. Ein Trugschluss, wie die nachfolgenden Ereignisse bestätigten. Probleme der Gegenwart lassen sich leider nur sehr selten durch Rückgriffe auf Methoden der Vergangenheit lösen, wie nicht nur ich enttäuscht feststellen musste. Im Nachhinein ist man halt immer schlauer. Jedenfalls wurden in Daums zweiter Amtszeit durch die hohen Gehaltskosten für ihn und seinen vielköpfigen Trainerstab die Grundlagen für die mittlerweile knapp 32 Millionen Euro umfassende Verschuldung des Vereins gelegt. Auch sportlich lief es nicht wie erwünscht, wurden viele Enthusiasten durch die Ergebnisrealität schnell auf den Boden der Tatsachen heruntergeholt. Erst am Ende einer durchwachsenen zweiten Spielzeit unter Daums Regie stand im Sommer 2008 der vierte Aufstieg in die Bundesliga fest.
   Aber wenigstens hatte ich durch den Aufstieg des FC in die Bundesliga keinerlei Probleme mehr dessen Spiele zu sehen. Das Aufkommen von Livestreams kompletter Spiele und eine immer weiter werdende Verbreitung asiatischer Internet-TV-Programme, mit denen man unzählige Fernsehsender aus der ganzen Welt schauen konnte, sorgten für einen reichlichen Fußballgenuss. Da nur selten Zweitligaspiele und fast immer nur Bundesligapartien gezeigt wurden verhalf der fünfte Aufstieg auch in dieser Hinsicht zu einer deutlichen Verbesserung. In den Folgejahren wurde es für mich relativ leicht möglich viel Fußball zu schauen. Frühere und zeitaufwändige Möglichkeiten wie das Aufnehmen von Spielen und Download der Dateien waren sehr schnell nicht mehr nötig und brauchten nicht mehr praktiziert werden.
   In diesen Jahren schrieb ich viel und meine Gedanken kreisten besonders in der Aufstiegssaison fast völlig um Fußball. So ist es auch kein Wunder, dass auch so mancher Text meiner monatlich bei onlinezine.de erscheinenden Kolumne über die Situation beim FC handelte. Eine Kostprobe dazu könnt ihr hier lesen.
   Nach einer ersten Spielzeit in der Bundesliga in der der Klassenerhalt geschafft wurde verließ Daum überraschend den FC wieder, sorgte mit seiner Entscheidung dem finanziellen Werben eines türkischen Großklubs nachzugeben für einen Schockzustand in Köln. Zu Anfang frustrierte diese Nachricht auch mich, sah ich doch Kontinuität auf der Trainerposition als eine zwingende Voraussetzung zu späteren Erfolg an, aber wie so oft begann ich nach kurzer Zeit das Positive im Negativen zu betonen. Eigentlich war dies ein positive Entwicklung beim FC, ein Schock Marke "Ende mit Schrecken" der hoffentlich eine Überwindung der seit vielen Jahren dominierenden Rückwärtsgewandtheit ermöglichte. Dem während seiner zweieinhalbjährigen Trainertätigkeit praktizierten Fußball weinte kaum einer hinterher, außerdem war durch dessen Flucht die wie seit seiner Entlassung im Jahre 1990 über jeden FC-Trainer wie ein Schwert des Damokles schwebende Forderung nach Christoph Daum als Übungsleiter endgültig verschwunden, konnten die nachfolgenden Coachs in dieser Hinsicht in Ruhe arbeiten ohne stets mit dem "Übertrainer" Daum verglichen zu werden. Trotzdem wird das Wort "Herzensangelegenheit" seitdem im Rheinland als ein Unwort angesehen, eine demaskierende, mediengerechte Beschönigung, die wenn es von in den Profifußball involvierten Menschen ausgesprochen wird hintergründig "Geldgeilheit" bedeutet.
   Obwohl in den Jahren danach mehrere Nachfolgetrainer unbelastet durch die Geister der Vergangenheit ihre "Fähigkeiten" demonstrieren durften stieg der stets durch Unruhe gekennzeichnete 1. FC Köln im Sommer 2012 zum fünften Male ab. Seitdem spielt der Verein wieder in der zweiten Liga, aber trotzdem blicke ich recht zuversichtlich in die Zukunft. Seitdem Werner Spinner das Präsidentenamt innehat und mit seinem Team die Nachfolge seines jahrelang keine Peinlichkeit auslassenden Vorgängers antrat ist es im Verein deutlich ruhiger geworden. Kaum noch ein Spieler der Mannschaft die in der Abstiegssaison durch haarsträubende Eskapaden und wöchentliche Arbeitsverweigerung auffiel steht auf dem Platz und mit Peter Stöger scheint ein Trainer gefunden zu sein der endlich Ruhe in den Verein bringt. Zudem ist durch die Beschäftigung von Fachleuten die diese Bezeichnung aufgrund ihres Wirkens und nicht wegen einer lauthals propagierten Selbsteinschätzung tragen eine nötige Professionalität ins Geißbockheim zurückgekehrt. Doch ich bleibe misstrauisch. Zu viele Jahre erlebte ich, in denen zwei aufeinanderfolgende Siege wie ein Gewinn der Champions League gefeiert wurden und Titel wie "Sieger im Winter-Pokal der Stadtwerke Düsseldorf" ein saisonübergreifendes Highlight darstellten.
   Vielleicht kann irgendwann endlich eine Aussage in einem jüngst entdeckten Spiegel-Artikel von 1985 über den 1. FC Köln ad acta gelegt werden. Damals hieß es dort: "Uli Hoeneß prophezeit den Kölnern eine düstere Zukunft. Sie würden, so der Bayern-Manager, nie mehr einen Titel holen. Hoeneß begründete es mit "dem Medienklima, das in Köln so negativ ist wie in keiner anderen Bundesligastadt". Nachdem knapp dreißig Jahre seit jenen Worten vergangen sind wirkt die nachträgliche Richtigkeit dieser Prognose beeindruckend. Aber vielleicht bricht eine neue Zeit an und sie verliert aufgrund veränderter Umstände ihre Bedeutung. Hoffentlich.
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