Da kann man schon mal schlapp machen… Und als Sunny in der Tür stand drehte sie sich noch einmal um und löschte das Licht… Das hätte sie nicht gemacht, wenn nicht alle schon am knacken gewesen wären oder zumindest so aussahen… An ihrer Stelle hätte ich wohl genauso gehandelt… Hmn… Aber dieses Klopfen ist immer noch da, ich höre es doch genau, und ich bin mir sicher nicht mehr in einer Traumwelt abzuhängen… Hmn… Ob es hier Poltergeister gibt?... Möglich wäre es, schließlich ist ja noch voll Nacht, und Poltergeister machen häufig nachts ihre Action und klopfen herum… Hmn… Aber das Geräusch klingt etwas nach Sessel, und vielleicht ist auch nur mein Sessel irgendwie kaputt, oder eine Feder oder sowatt macht Punk weil ich hier schon so lange drauf rumliege… Hmn…´
   »Ist das geil«, hörte ich im Dunkeln die Stimme von Beatrice aus genau der Richtung die als Quelle des Pochens in Betracht kam. Durch ihre Worte machte sie meinen theoretischen Ursachenüberlegungen abrupt ein Ende und fast automatisch erklärte sich alles.
   Den ganzen Abend hatte sie neben meinem Sessel auf dem Boden gesessen, dabei mit dem Sänger der Band geredet, und ich nahm an, dass sich beide direkt dort schlafen gelegt hatten und im Dunkeln auf die Idee kamen den angenehmen Tag mit einem noch angenehmeren Paarungsspiel würdig zu beenden.
   Höchstwahrscheinlich schlug wegen der rhythmischen Bewegungen irgendein Körperteil gegen meinen Sessel und erzeugte das Pochen.
   Ich dachte an eigene Erfahrungen in Momenten hormonell bedingter Bewusstseinstörungen zurück und tiefes Verständnis erfüllte mich. Scheinbar konnten der Verursacher oder die Verursacherin die Geräuschentwicklung wegen einer temporären Reizüberflutung nicht wahrnehmen und agierten deshalb im Bewusstsein völliger Lautlosigkeit.
   Sofort schloss ich die Augen und wäre gerne auf der Stelle wieder eingeschlafen und hätte weiter geträumt, aber die Ablenkung durch die Laute sowie die ständigen Erschütterungen meines Ruhelagers hinderten mich daran. Dennoch wusste ich um die kurze Dauer einer spontanen Beischlafaktion, und da eine erfolgreiche Begattung meist zu beidseitigem Ruhebedürfnis führte hoffte ich diese Ruhe baldigst zu erleben.
   ´Hoffentlich schreit sie nicht am Schluss´, befürchtete ich. ´Manche Frauen sind ja so drauf, machen beim ficken die komischsten Geräusche… Damals als ich noch in der WG wohnte übernachtete doch diese Türkin bei Jürgen, die war auch so eine… Mitten in der Nacht brüllte sie los, man was habe ich mich erschrocken, ich dachte die würde abgestochen oder irgendetwas Schlimmes wäre passiert. Diesen Eindruck hatte ja nicht nur ich, auch Uwe aus dem Nebenzimmer ist deswegen extra aufgestanden und kam mit einem Baseballschläger in der Hand in mein Zimmer… Na ja, ich glaube die Beatrice ist etwas cooler, egal wie umnebelt ihre Sinne dann sind wird sie wohl noch ein bisschen an ihre Umgebung denken.´
   Geflissentlich überhörte ich das monotone Klopfen an meinem Schlafmöbel und versuchte an etwas anderes als an die Lärmquelle oder interaktive zwischenmenschliche Handlungen zu denken.
   Ich erinnerte mich an einen vor einiger Zeit gesehenen Film, in dem ein durch Ruder angetriebenes Schiff eine tragende Rolle spielte und der für die Geschwindigkeit Verantwortliche hinter einem rudimentären Schlagzeug stand und durch seine akustischen Vorgaben für einen Gleichklang der Bewegungen sorgte. Das Drumkit bestand nur aus zwei einzelnen Trommeln, die er abwechselnd bediente und deren in großen Zeitabständen erschallende dumpfe Töne als Handlungsanweisungen für die Männer auf den Ruderbänken dienten.
   Obwohl mir ein deutlicher Bezug zu der momentanen Situation auffiel fand ich Gefallen an der Vorstellung und überlegte, ob man das Fortbewegungstempo des Wasserfahrzeuges steigern könnte wenn der Taktgeber am Schlagzeug Songs moderner Hard- und Speedcore-Bands nachspielen würde.
   Während ich darüber nachdachte hörte ich eine männliche Stimme hinter mir grunzen und abrupt verstummten die Klopfgeräusche des menschlichen Metronoms.
   »War das alles?«, fragte die unsichtbare Beatrice und ich glaubte Enttäuschung in ihrer Stimme mitschwingen zu hören.
   Noch während sie sprach erhob sich ein Schatten und ich sah einen unbekleideten jungen Mann, der ins Bad wollte und vorsichtig über die am Boden liegenden Menschen hinweg stieg.
   ´Endlich sind sie fertig, kann ich ja in Ruhe weiterschlafen´, dachte ich erfreut und die Stärke der Müdigkeit drang erneut in mein Bewusstsein. ´Man bin ich müde… Aber wenigstens ist das Pochen nun Geschichte... War ja echt nervig… Hier auf diesem komischen Sessel zu hängen stört mich überhaupt nicht, okay, es ist etwas unbequem, aber immer noch besser als draußen zu liegen… Der Traum war echt Spitze, ganz anders als die Träume zu Hause, diese handeln ja meistens von irgendwelchen Glatzen die angerannt kommen und mir aufs Maul hauen wollen… Es ist doch nicht der Bringer noch im Schlaf an das Faschopack zu denken… Reicht doch völlig wenn man es tagsüber muss… Das mit Michelle war wirklich schön… Es wäre echt gut, wenn ich gleich an der Stelle weiterträumen könnte an der ich aufhören musste… Ich hoffe das geht…´

      …    

Dass die da gefickt haben, habe ich voll mitbekommen…«, sagte Sven während er das Auto lenkte und mich zu meiner Wohnung fuhr. »Ich lag auf dem Boden und war auch wach, bei dem Gepoltere konnte ich sowieso nicht einpennen. Aber gesagt habe ich auch nix, nur die Augen zugemacht und gehofft, dass es bald vorbei ist. Ich stellte mich schlafend und hielt das Maul… Ich meine, wenn man am ficken ist können unerwartete Kommentare recht abtörnend wirken… Also schwieg ich und war froh als er dann laut aufstöhnte… Kurze Zeit später hörte ich etwas und öffnete die Augen, und genau in diesem Moment stieg der Typ gerade über mich rüber… Der war natürlich nackt, und so ein Gehänge zu betrachten finde ich nicht toll, erst recht nicht wenn es hoch über einem schwebt... Dachte mir nur, dass ich auch weiterhin nix sagen möchte, aber wenn mir etwas in Gesicht getropft wäre hätte ich sofort Remmidemmi gemacht, echt Alter.«
   Ich lachte und freute mich nicht als einziger die Geräusche aufgrund kontraproduktiver Hypersensibilität wahrgenommen zu haben.
   In diesem Augenblick trat er auf die Bremse, hielt direkt vor meiner Wohnung und alle Gedanken an ohrenzeugliche Erlebnisse traten in den Hintergrund.
   »Wir sind da«, sagte Sven.
   »Das ging aber echt schnell, hätte ich nicht gedacht.«
   Grinsend fasste ich mir an die Bandscheiben und deutete auf diese Art mögliche Rückenschmerzen an. »Jetzt werde ich mich erstmal auf meine Matratze legen«, erläuterte ich. »Das habe ich echt nötig, so eine Nacht auf einem Sessel ist doch nicht das Wahre.«
   »Der harte Boden war auch nicht sonderlich erquickend, Und was machst du heute Abend?«
   »Wenn ich nicht plötzlich festgenommen werde oder meine Traumfrau zu Besuch kommt werde ich wohl ins "Sputnik" gehen, da ist samstags immer etwas los«
   »Klingt gut. Vielleicht komme ich auch dorthin«, dachte Sven laut. »Eigentlich wollte ich mich erst mal hinlegen und lange liegen bleiben, heute überhaupt nix mehr machen… Na ja, wer weiß wie ich mich heute Abend fühle, vielleicht habe ich dann ja total Bock unter Leute zu gehen…«
   »Ich kann dich später ja kurz anphonen…«
   »Ja, mach das. Wie gesagt, vielleicht habe ich Bock und komme mit.«
   Ich langte zum Türgriff und signalisierte Sven damit mein Vorhaben sofort auszusteigen.
   »Okay Alter, see ya oder so«
   »Hau rein«, antwortete ich und stieß die Beifahrertür auf.

      …    

Wenige Minuten später bewegte ich wieder eine Türe, allerdings war es meine merklich größere Wohnungstür, und die Bewegung diente nicht dazu sie zu öffnen, sondern sie hinter mir zu schließen.
   Ich registrierte erneut meine beständigen Kopfschmerzen und ging als erstes in die kleine Küche, öffnete den dortigen Kühlschrank und ergriff eine eiskalte Dose Bier.
   Noch während ich daraufhin den Wohnraum aufsuchte öffnete ich diese und trank einen ersten Schluck, spürte direkt ein Nachlassen des pochenden Schmerzes in der oberen Extremität.
   Einem unbewussten Automatismus folgend schaltete ich den Fernseher an. Sofort zeigte sich Bewegung auf der Mattscheibe. Wie schon oft erlebt führte die unverhoffte elektrische Spannung zu einer Art sporadischem Blitzen auf dunklem Hintergrund, welches aber rasch verschwand als sich ein gewohntes Bild aufbaute.
   Es zeigte einen unter allgemeinen gesellschaftlichen Gesichtspunkten adrett gekleideten Mann, der im Gegensatz zu den meisten Nachrichtensprechern die neuesten Meldungen nicht von einem Blatt ablas sondern freisprechend übermittelte, so dass er den Eindruck erweckte, über den Inhalt schon oft nachgedacht zu haben und er deshalb keine schriftliche Formulierungshilfe bräuchte.
   »…in der Nacht zum Samstag gab es im Rheinland ein Erdbeben der Stärke 5,9 auf der Richterskala«, sagte er und weckte mit seinen Worten mein Interesse. »Das Epizentrum des Bebens lag südlich von der Region Köln im Raum Siegburg, aber selbst in der Domstadt waren die Erschütterungen noch deutlich zu spüren. Die meisten Menschen kamen mit einem Schrecken davon, die Notdienste meldeten lediglich einige leicht beschädigte Wohnhäuser und mehrere durch die Erdstöße ausgelöste Wasserrohrbrüche. Lokalsport: Die Mannschaft des Hockeybundesligisten…«
   »Ein Erdbeben? Hier? Echt? Also davon habe ich überhaupt nichts mitbekommen…Ich fand es war ein ganz normaler Freitagabend…«, murmelte ich und trank einen weiteren Schluck Bier aus der Dose.

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