»Kann ich mitkommen?«, fragte ich. »Ich hätte jetzt echt Bock darauf ein wenig herum zu fahren, außerdem habe ich noch mehr Bock auf eine Tüte Flips, und ich müsste zu irgendeiner Tanke latschten um eine solche zu kaufen…«
   Er nickte und ich erhob mich, und nachdem er Sunny mit wenigen Worten seinen sofortigen Aufbruch erklärt und ein baldiges Wiederkommen versprochen hatte, verließen wir die Wohnung und gingen gemeinsam eine zu der Haustür führende abgenutzte Holztreppe hinab.

      …    

Eine Tür öffnete sich und gefolgt von Presti verließ Sven einen Nebenraum und beide betraten das gemütlich eingerichtete Hauptzimmer. Ihre Mienen strahlten Zufriedenheit aus und zusätzlich bewies mir Svens breites Grinsen, dass sie beide ihr kleines Handelsgeschäft mit einem zur beidseitigen Genugtuung führenden Ergebnis erledigt hatten.
   Schnurstracks gingen beide zu dem kleinen Tisch in einer Ecke des Raumes an dem ich seit einigen Minuten saß und auf sie wartete. Als sie sich gesetzt hatten drehte sich Presti um, langte zu einem hinter ihm stehenden Regal, ergriff dort eine Wasserpfeife und stellte sie vor sich auf die Tischplatte.
   »Wollt ihr beide einen mitrauchen? Dann mache ich etwas mehr Mischung.«, fragte er.
   »Klar, warum nicht«, meinte Sven und grinste wieder. »Wollte schon vor einer Stunde watt rauchen.«
   Ich beantworte Prestis Frage mit einem stummen Nicken, dessen Aussage noch durch eine zustimmende Grimasse unterstrichen wurde.
   Wortlos reagierte Presti auf die bejahenden Antworten, platzierte ein kleines Holzbrett und ein breitklingiges Haushaltsmesser auf der Tischplatte und legte ein etwa halbdaumennagelgroßes Stück dunkelbrauner Masse darauf. Durch schnelle Hackbewegungen mit dem Messer zerkleinerte er das Massestück zu einer pulverartigen Substanz, nahm dann eine Filterzigarette, trennte das den Tabak umhüllende Papier auf und ließ dessen feingehackten Inhalt auf das Pulver rieseln.
   Als er mit der Messerspitze die beiden unterschiedlichen Inkredenzien zu einer homogenen Einheit mischte, staunte ich über die Schnelligkeit seines zielstrebigen Vorgehens, welche mir zeigte, dass er diese Tätigkeit schon viele hundert Male vollführt hatte, sie für ihn inzwischen zu einer fast unbewusst erledigten Routinetätigkeit geworden war, ähnlich dem routinierten und ohne besondere Konzentration darauf durchgeführten Schmieren eines Brotes.
   Anschließend teilte er das Gemenge in zwei etwa gleichgroße Häufchen, befüllte mit einem von ihnen das Rauchköpfchen am unteren Ende der Wasserpfeife und presste das Mundstück des senkrecht nach oben ragenden Rohres an seine Lippen. Während er ein brennendes Feuerzeug an die Tabak/Haschisch-Mischung hielt und sie entzündete, atmete er ein und inhalierte den im durchsichtigen Rohr erscheinenden Rauch.
   Ich hörte das für eine Wasserpfeife typische blubbernde Geräusch, ähnlich dem das entstand wenn man in einer gefüllten Badewanne lag und unter Wasser ausgiebig furzte. Mir war nicht bekannt, welcher physikalische Prozess der Wirkungssteigerung des Gerauchten dem zu Grunde lag, aber es war mir auch egal, mir reichte das Wissen um jene Tatsache und ich spürte nicht den Drang unbedingt dessen Ursache kennen zu müssen.
   Presti gab Pfeife und Feuerzeug an Sven weiter und lehnte sich urplötzlich von Trägheit ergriffen zurück. Sven entzündete die Mischung ebenfalls, nahm einen tiefen Zug und schob dann beides zu mir herüber.
   Nachdem ich ebenso verfuhr und wahrnahm wie der angenehm schmeckende Rauch meine Lunge füllte, verspürte ich dessen schlagartig einsetzende Wirkung und urteilte positiv über die Wirkungsweise der fast illegalen Tabakwürze. Diese war auffallend gut, die Mischung gehörte zu einer der besten die ich je geraucht hatte und jener wohltuende Effekt war mit Sicherheit nicht auf eine über das Normalmaß hinausgehende Dosierung zurückzuführen.
   Von einer Sekunde auf die andere fühlte ich mich wie halb gelähmt, jede Bewegung fiel mir auffallend schwer und ich überlegte vorher genau ob eine solche wirklich vonnöten war oder der Bequemlichkeit halber weggelassen werden konnte. Zudem nahm ich sämtliche Empfindungen weitaus intensiver wahr als vorher, die Geräusche klangen lauter und ich glaubte jede noch so kleine Unregelmäßigkeit des Sitzbezuges unter mir zu erspüren. Auch meine Gedanken veränderten sich, ich war mir sicher klarer und folgerichtiger zu denken, Faktoren einer Sache zu sehen die man sonst nicht wahrnehmen konnte und hatte den Eindruck urplötzlich erleuchtet worden zu sein.
   »Das Zeug ist echt gut«, sagte ich zu Presti und reichte ihm die Wasserpfeife. »Knallt echt mächtig und ich fühle mich jetzt schon hammerweich.«
   Presti grinste angenehm berührt und schraubte das Köpfchen ab, klopfte es in einem Aschenbecher aus und füllte die zweite Portion in die nun von allen Ascheresten befreite Rauchvorrichtung.
   Während er dies tat und mit einem Zug an der Pfeife die zweite Runde einläutete, beobachtete ich ihn genau und machte mir Gedanken über seine Person.
   ´Eigentlich sieht er noch fast genauso aus wie früher´, sinnierte ich. ´Damals trug er zwar ständig eine buntbemalte Lederjacke, aber den Schnauzbart und diese irgendwie komische Frisur hatte er schon als er in der Punkszene auftauchte… Echt seltsam die Haare, sehen aus wie gekämmt oder frisch gewaschen, überhaupt nicht wie sonst bei Punks… Na ja, egal, jedenfalls sieht man Presti nur noch selten, und Lederjacke und Springerstiefel trägt er überhaupt nicht mehr…´
   Fast automatisch presste ich meinen Mund gegen die Ansaugöffnung der mir dargebotenen Pfeife und reichte sie danach an Presti weiter. Schon während ich dieses tat verspürte ich eine typische Nachwirkung in Form von Hungergefühlen. Dass jene schon nach wenigen Sekunden auftraten verwunderte mich nicht sonderlich, hatte mir der erste Zug doch schon ausreichend Informationen über eine erwartbare Wirkungsintensität verschafft. So war es auch kein Wunder fast zwangsläufig an die im Auto liegenden Tüte mit meinen Lieblingsflips zu denken, die ich zwar frühestens auf der Fete, oder besser noch erst später zu Hause essen wollte, aber für deren sofortigen Genuss ich aufgrund der extremen Empfindungslage mit ganzem Herzen eintrat.
   »Das ist tot, da kommt nix mehr«, meinte Presti, nachdem er das Feuerzeug an das Köpfchen gehalten und einen Probezug inhaliert hatte.
   Wir starrten einige mir wie Stunden vorkommende Minuten wortlos auf den Tisch, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Sven schien eine Art Grinsstarrkrampf zu haben, denn immerfort zeigte sein Gesicht ein gleiches und entrückt wirkendes Lächeln.
   »Scheißbullen«, unterbrach Sven plötzlich die Stille.
   Im Gegensatz zu Presti, dem keinerlei Reaktion anzumerken war, schaute ich Sven an und überlegte was er damit sagen wollte.
   ´Wie kommt er jetzt auf Bullen?´, fragte ich mich in Gedanken. ´Schließlich war doch heute noch keinerlei Ärger mit irgendwelchen Grünen und hier sind auch keine… Aber was noch nicht war kann ja noch kommen… Trotzdem glaube ich nicht auf der Rückfahrt welche zu treffen und angehalten zu werden… Da müssten wir echt Riesenpech haben, Sunnys Wohnung ist doch direkt am Anfang von Siegburg, da müssen wir nicht erst stundenlang durch die Gegend gurken… Hmn… Aber vielleicht dachte er an letztens, als wir in Troisdorf am Kaiserbau feierten, zwei Streifenwagen kamen und die Beamten einen von uns festnahmen?... Hmn… Die Party war aber echt gut, jedenfalls bis die Bullen kamen, wir hätten wohl doch besser kein Feuer im Fahrstuhlschacht gemacht… Hmn… Das konnte man wirklich weit sehen, es war zwar Nacht, aber die Funken schlugen ja ganz oben auf dem Dach aus dem Schacht heraus… Hmn… Oder vielleicht denkt er gerade an letzten Sommer, als wir uns zu ungefähr dreißig Leuten am Bahnhof trafen, in der Innenstadt Glatzen suchen wollten und wir schon nach wenigen Metern von einem halben Dutzend Streifenwagen aufgehalten und umstellt wurden?... Hmn… Kann echt gut sein gut sein, schließlich war er ja mit dabei… Ich glaube die Bullen sind damals nur gekommen weil der Heinemann 'ne Baseballkeule mit hatte, die hat einige Passanten wohl nervös gemacht…. Hmn…´
   »Wir müssen jetzt los«, sagte Sven plötzlich und beendete damit meine Gedankengänge.
   Abrupt und mit fast zeitgleichen Bewegungen erhoben wir uns.
   »Wir machen jetzt 'nen Abflug«, sagte Sven zum fragend schauenden Presti. »Fahren direkt wieder zur Sunny, da ist 'ne kleine Fete. Eigentlich keine richtige Fete, eher so ein kleiner Umtrunk, ist aber ganz cool und nett dort. Willst du nicht auch mitkommen?«
   Der Angesprochene schüttelte den Kopf und schaute auf seine Armbanduhr.
   »Nee, meine Freundin will in einer halben Stunde kommen, da bleibe ich doch besser hier«.
   »Du könntest sie ja anrufen und sie fragen ob sie Bock hätte mitzukommen. Dann wäre es auch kein Akt für uns noch eine halbe Stunde zu warten…«    Erneut schüttelte Presti den Kopf und mein Blick fixierte sich auf seinen waagerecht hin und her schwenkenden Schnauzbart.
   »Glaube ich nicht. Das würde ihr wohl kaum gefallen, sie hat es nicht so mit den Punks… Außerdem wollten wir nicht weg, zusammen hier einen ruhigen Abend machen…«
   »Ich weiß schon was du meinst«, grinste Sven wissend. »Klar, dann würde ich auch zu Hause bleiben und nicht spontan irgendwo hin düsen. Okay Alter, bis dann also, man sieht sich.«
   Immer noch grinsend wandte er sich um und ging zur Eingangstür.
   Nach einem kurzen Nicken in Prestis Richtung folgte ich um und dachte gleichzeitig darüber nach wie es sich wohl anfühlen würde wenn man einen Schnäuzer im Gesicht trug…

      …
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