Schlussakkorde (3)

Wie im letzten Beitrag angekündigt folgt an dieser Stelle ein Artikel aus den Bonner Perspektiven #2. Ab Herbst 1981 schrieb ich zwar keine Artikel für den inzwischen eingestellten Tiefschlag mehr, aber ich wandte mich nicht von der Punkszene ab,hielt mich weiterhin mehrmals die Woche an den Bonner Punktreffpunkten auf (Labermeia: Der am Rande der Fußgängerzone gelegene Berliner Platz war zwar immer noch der Haupttreffpunkt, aber immer mehr verlagerten sich die Treffen auf den Brunnen am zentraler gelegenen Kaiserplatz, bis er ab ca. 1983 neuer Stammtreffpunkt der Punks wurde), besuchte viele Konzerte und konzentrierte mich auf meine Tätigkeit als Sänger in meiner neuen Band (Der Bandname sollte für Freiheitliche Demokratische GrundOrdnung (rechtlich geschützt) stehen. Keine Ahnung was mir damals durch den Kopf gegangen war...).
  Ein besonders guter Tag für einen Bonnbesuch war natürlich der 10. Oktober 1981. An jenem fand im Bonner Hofgarten eine große Demonstration der Friedensbewegung gegen den Nato-Doppelbeschluss statt, an der knapp 300.000 Menschen teilnahmen. Außerdem sollte abends noch eine Konzert mit der Kölner Gruppe in der neuen Stammlokalität der Bonner Punks, der auf der anderen Rheinseite in Bonn-Beuel gelegenen Mini-Disco Snoopys, stattfinden. Der Bonner Perspektiven-Herausgeber Samson schrieb damals folgendes über jenen Samstag:

10.10.1981

Bonn-Beuel Snoopys

Das Snoopys war eine kleine Gaststätte (so eine Art Mischung aus Kneipe und Discothek) in einer Nebenstraße am Rande der Fußgängerzone von Bonn-Beuel, in der Punkrock gespielt wurde und in die auch Punks eingelassen wurde (was damals eine Ausnahme war. "Drecksigel kommen hier nicht rein", waren zum Beispiel die Worte eines Kneipenwirts am Berliner Platz, für den wir ein Jahr vorher noch gerne gesehene Gäste gewesen waren). Die Einrichtung war - wenn ich mich recht erinnere - für die damalige Zeit recht modern gehalten, bewusst spartanisch und mit viel Plastik und so. Im Laufe des Jahres 1981 wurde das Snoopys zu einer Art Stammgaststätte der Punks. Dies ging bis Ende Oktober so, bis der Besitzer wechselte und nach einem rauschenden Abschlussabend (frei saufen) seine Pforten schloss. Später wurde aus dem Snoopys die Disco-Pinte, deren neuer Inhaber – natürlich – keine Punks in seinem Laden wollte und erst gar nicht mehr einließ. So blieb nur noch die Schumann-Klause (etwas altbacken aussehende Alt-68ger-Kneipe in der Bonner Südstadt) als Alternative zum Rumsitzen an verschiedenen Innenstadtplätzen.

Unsere Schulleitung hatte uns freigegeben und so konnte ich auch an diesem Volksspektakel teilnehmen. Um 9 Uhr morgens in aller Frühe tauchte der Herr Schmunzel bei mir auf als ich gerade am frühstücken war. Wir gingen dann (ich und Schmunzel und Mättes - ein werdender New Waver) zur Bahn und fuhren eine Station und gingen dann in den Normal um dort uns etwas die Zeit zu vertreiben. Schräg gegenüber ließen son paar Körnerfresser die ganze zeit BAP und son Dreck laufen (würg), und das schlimmste dabei war, dass sie die Boxen wie zu Karneval am Fenster stehen hatten. Deshalb ließen wir wenigstens im Laden Pogo laufen. Ich konnte es natürlich nicht lassen und musste vor der Tür zu den Liedern pogen und mitgrölen, und so geschah es, dass ich durch eine ungeschickte Bewegung von außen gegen die Tür trat. Und da die Tür des Normals nach innen aufgeht und dahinter ein Plattenregal steht machte es "KLIRR" und eine Scheibe ging zu Bruch. Irgendwann um elf rum sind wir dann zum Schlachthof wo ein Teil der Demo losging (die Demo verlief sternförmig in fünf Zügen auf den Hofgarten zu). Kein einziger Punk war zu sehen. Als dann die Demo losging traf ich zwei Punketten aus Berlin und wir laberten allen möglichen Scheiß vor uns hin. Als wir dann am Kaiserplatz angelangt warn war kein Arsch außer Junk Punk zu sehen. Dann wurden wir von son paar Amis interviewt. Mit der Zeit tauchten immer mehr Pönx auf. Dann zogen wir mit nem ganzen Haufen durch die Straßen. Wieder am Kaiserplatz ging ein Teil los und wollte bei Mc Donalds Randale machen und hatten Pech dabei, denn einige wurden von den Bullen mitgenommen. Um vier hab ich mich mit´m Riss in die U-Bahn-Haltestelle gesetzt weils draußen saukalt war. Um uns die Zeit zu vertreiben erzählten wir uns von alten Demos (ach was ich jetzt ganz vergessen habe: Es sind "7" Schaufenster zu Bruch gegangen - und das in Bonn). So um fünf Uhr sind wir dann zum Snoopys. Aufm Kaiserplatz war allerdings kein Punk mehr zu sehen (die Schweine hätten auch warten können). Außerdem musste ich mir die ganze Zeit das Gejammer von Riss anhören, dass er vom S. noch 29 Mark kriegen würde und er jetzt kein Geld für den Eintritt hätte. (Labermeia: Es kann gut sein, dass ich damals während des langen Fußmarsches vom Kaiserplatz nach Beuel meine derzeitige finanzielle Situation ein- oder zweimal beiläufig thematisiert habe. Aber es "Gejammer" zu nennen wenn man dezent gravierende Rahmenbedingen umschreibt ist sicherlich übertrieben. Überhaupt nicht erwähnt Samson sein ihm direkt zu Beginn des langen Fußweges unterlaufenes Missgeschick, als er in einer U-Bahn-Station an einem parkuhrähnlichen Fahrkartenentwerter zeigen wollte wie gut er im Bocksprung ist. Das gelang ihm auch und er sprang mit gespreizten Beinen darüber, hatte aber leider vergessen, dass er an jenem Tag eine Bondagehose trug bei der beide Beine mit mehreren Bändern locker verbunden waren. Diese Stoffstreifen rissen natürlich ab und gaben nur noch an einem Ende befestigt ein ähnliches trauriges Bild ab wie vergessene Luftschlangen an einem verregneten Aschermittwoch. Samsons ständiges Wehklagen über die ramponierte Bondagehose während des langen Weges nach Bonn-Beuel ist mir noch weit über dreißig Jahre später gut in Erinnerung. Das war wohl eher "Gejammer" als eine kurze Erwähnung finanzieller Umstände. ) Unterwegs trafen wir Tarzan, Sid W. und Mod die von den Bullen kontrolliert wurden. Der Grund: Ein TERRORISTISCHER ANSCHLAG! Und zwar hatte Tarzan auf eine leere SUNKISTTÜTE getreten, die daraufhin "PENG" machte, was sich dann wiederum terroristischer Anschlag nannte. Als wir am Snoopys ankamen wartete noch ne größere Menge draußen. Innendrin wars allerdings proppenvoll, dann fingen K 1 4 an. Die warn aber nit so besonders. Danach ging ich erst mal mit drei Neuwiedern fressen. Als wir zurückkamen spielte eine Verarschungsgruppe mit der Formation: Westi Sax, Rainer Drums, Cliff Bass. Danach kam dann mit Elmar, die mir recht gut gefielen. Es wurde auch fleißig gepogt (falls man das Pogo nennen konnte, denn einige Leute leiden unter der Wahnvorstellung, dass Pogo nur aus "Bodycheck" besteht und fühlen sich als den Härtesten wenn se einen in die Ecke gerempelt haben, denn POGO heißt auf Deutsch nämlich HÜPFEN oder SPRINGEN aber keinesfalls REMPELN. So, das musste ma gesagt werden!). Dann wechselte Elmar (der alte Sänger von ) mit dem neuen Sänger. Jetzt fand ich plötzlich bescheuert und ich war nicht der einzigste, denn bald kam ein Sprechchor auf: "DLW IST NIX OHNE ELMAR!" (Zufällig habe ich auf Punkfoto ein Bild von ihm gefunden. Link: Foto von Elmar Er war in diesem Jahr sehr oft in Bonn, dabeigewesene werden sich sicher noch an ihn erinnern) dem ich voll beistimmte. Als sie nun endlich einsahen, dass sie nicht ankamen gabs wieder ne Pause und dann folgte . Allerdings ohne Tommi da er im Italien auf Klassenfahrt war. Und man merkte direkt, dass immer schlechter wird und sich jetzt sowieso auflösen wollen. Das war mal wieder ein aufregender Bericht, wah?

Von diesem Konzert ist mir ein Ereignis besonders in Erinnerung geblieben. Irgendwann drängten sich zwei Schnauzbartasis durch die Punkmeute und schlugen dann mitten unter ihnen einen bekannten Bonner zusammen. Den dichtgedrängten „Punks“ war der allgemeine Gedanke „Hauptsache es trifft nicht mich“ deutlich anzusehen und rasch bildete sich ein großer Zuschauerkreis um die drei Beteiligten. Ätzend. Zwei Entschlossene schüchterten fünfzig verängstigte Lederjackenträger ein. Zusammenhalt sieht anders aus. Einen solch passiven Haufen von Heißluftgebläsen ... äh ... „Rebellen“ hatte ich vorher nie gesehen und sah ich auch in den vielen nachfolgenden Jahren nie wieder. Kein Wunder, dass damals öfter die Bezeichnung „81ger Spätlese“ für die in diesem Jahr neu hinzugestoßenen Punks verwendet wurde.
  Der nächste Beitrag wird dann ebenfalls einen Artikel aus Bonner Perspektiven #2 enthalten. Diesmal wird das letzte erwähnenswerte Ereignis des Jahres 1981 geschildert werden, ein Ende Oktober im Keller einer alten Troisdorfer Schule stattgefundenes und von den dortigen Punks organisiertes Festival namens Provinzwahn. Wieder wurde ein Punkkonzert von externer Gewalt überschattet...

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