(Drama in vier Akten)

Geschichte einer Geschichte

Ende der Neunziger arbeitete ich in einer Fabrik, war manchmal mit der Bedienung einer Produktionsmaschine beauftragt bei der die Intervalle sehr kurz waren, ich zwar recht wenig zu tun hatte, aber dafür in sehr kurzen Zeitabständen tätig werden musste. Folglich musste ich ständig vor Ort bleiben und um die beschäftigungslose Zeit zu nutzen ersann ich Gedichte, schrieb diese in ein kleines Notizbuch. ( Labermeia: Mein Arbeitskollege an der Nebenmaschine blickte mich damals öfter an als ob ich nicht alle Tassen im Schrank hätte, weil ich mich statt zu arbeiten immer wieder mit so Studikram wie “lesen + schreiben” beschäftigte.) Einmal fiel mir der Satz "Manuela bebte vor Penisneid" ein, und ich merkte sofort, dass man mehr daraus machen konnte als ihn nur als erste Zeile eines Gedichtes zu verwenden, schrieb ihn mir also auf um mich später zu Hause erneut damit zu beschäftigen. Das war richtig, denn dieser Satz regte meine Phantasie an, wurde zur Einleitung einer Kurzgeschichte. Der fertige Text erschien damals in der neunten Ausgabe des Bonner Punkfanzine Suburbia. Aber damit war es nicht vorbei. Sporadisch schrieb ich weiter und fertigte zwei weitere Teile an, die ich einige Jahre später auf der Website meiner damaligen Stammkneipe Litropinte veröffentlichte. 2005 schloss ich die Geschichte mit einer vierten Folge ab. Bisher sind alle vier Teile nur im Buch "Ich spreche fließend zynisch" zu lesen, und da ich sie halt auch online abrufbar machen möchte stelle ich sie in diesen Blog.

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Erster Akt: Morgenstund

Manuela bebte vor Penisneid und schmiegte sich fröstelnd enger in ihren rosafarbenen Morgenmantel. Auf der Bettkante sitzend beobachtete sie ihren Ehemann Heinz, der, nur mit einem weißen Unterhemd bekleidet, müde in das Badezimmer schlurfte. Sein Bauch wölbte sich tonnenartig unter dem Feinripp-Stoff hervor, verdeckte sein faltiges Gemächte.
„Ich glaub er lässt sich gehen...“, dachte Manuela als sie den runzligen Hinterbacken ihres Mannes nachblickte, „früher war alles irgendwie knackiger...“.
Heinz pinkelte geräuschvoll in die Kloschüssel und Manuela fühlte wieder Neid in sich aufsteigen. Sie bewunderte ihren Mann um die Fähigkeit im Stehen pinkeln zu können, einfach so, zu jeder Zeit und an jedem Ort, ohne lange, umständliche Suche nach einem sichtverdeckten Platz und ohne langes Zurren und Zerren an spitzenbesetzter Unterwäsche.
Laut und auffällig lange platschte der Urinstrom ihres Gatten in das Becken, Manuela wunderte sich einen Moment lang und griff dann zu der Fernbedienung des Fernsehers.
Knisternd sprang dieser an und baute sein Bild blitzartig auf.
„Schon wieder Werbung...“, dachte Manuela leicht empört, betrachtete aber dennoch interessiert die Produktpräsentation.
Eine Damenbinde schwebte schwerelos über eine blümchengefleckte Wiese, umsponnen von Sonnenstrahlen, umgarnt von sanfter Musik und eine wohltönende Stimme pries mit Begeisterung die Saugkraft der Slipeinlage. Manuela, seit Jahren menstruationserfahren, schüttelte verständnislos den Kopf. Den Ausführungen des Werbesprechers zur Folge trat die weibliche Regelblutung stets mit einer Intensität auf die mit dem Sprudeln einer durchtrennten Halsschlagader konkurrierte und nur durch Spezialmaterial eingedämmt werden konnte. Die Stimme des unsichtbaren männlichen Sprechers aus dem Fernseher überschlug sich fast, als dieser kreischend seine Freude über die Existenz von Slipeinlagen herausbrüllte und sich aufführte als sei er selbst am verbluten.
„Bad ist frei...“, brummte Heinz und trottete Richtung Wäscheschrank. Ein Tropfen Urin löste sich von seiner Eichel und fiel auf den Teppich, verschmolz mit den Flusen und Manuela erhob sich mit knackenden Gelenken.
Sie watschelte auf nackten Füßen zu der Toilette, hörte im Hintergrund Heinz „Wir müssen heute noch Gerd und Lieselotte besuchen...“, brummeln, ihre Fußsohlen traten in die üblichen Urinspritzer ihres Mannes und sie vermied bewusst den Blick in den Spiegel.
Als sie die befleckte Klobrille betrachtete umwog für einen Augenblick ein Sturm aus Wut und Neid ihre Seele, knetete und presste ihr Bewusstsein, schrie nach einem Warum und einem Sinn.
Manuela ignorierte die kritischen Stimmen, hob ihren Morgenrock und setzte sich auf die Klobrille.
„Wir müssen nachher noch zu Gerd und Lieselotte...“, murmelte sie, und ihre Pisse gurgelte in die Kanalisation.