© Meia 2004

Zur Person:
Ich selbst betrachte mich als einen fortgeschrittenen Windows-Nutzer, der gerne auf Linux umsteigen möchte, da mich die vielen Fehler bei Microsoft nerven.


20:16 UHR Ich stopfe die Knoppix-CD in das Laufwerk meines Arbeitsrechners, nachdem ich mich unter Windows über die Funktion meines Netzwerks vergewissert habe.

20:16 UHR Oh, Linux bootet diesmal sogar mit bunten Meldungen, sehr schön, besonders das Gelb gefällt mir, denn dies ist besser lesbar als die übliche weiße Schrift. Die Hardware wird sofort erkannt, nur fällt mir auf, dass die zwei Netzwerkadapter die ich in meinem Rechner habe, als Eth0 und Eth1 bezeichnet werden, keine Chipbezeichnungen, also weiß ich überhaupt nicht, welcher nun gemeint ist. Da es mir als zu umständlich erscheint, zur sofortigen Lösung dieses Problems einen Netzadapter aus dem Rechner zu entfernen, unterlasse ich dies und hoffe auf eine spätere Lösung. Ich möchte endlich auch ein Linux-Nutzer werden!

20:17 UHR Nach dem ersten Hochfahren orientiere ich mich kurz. Da ich vor Jahren ein Linuxbuch gelesen habe, weiß ich, dass es unter Linux keine Laufwerkbuchstaben gibt, sondern diese anders, länger und uneinprägsamer, bezeichnet werden und erst gebergt werden müssen, bevor sie benutzbar sind.
Die Icons sind klar zuordbar, nur fehlt mir eine Netzwerkumgebung. Da ich mich von der Ansprechbarkeit anderer Rechner überzeugen will, durchsuche ich das Startmenü (Oh Mozilla, das finde ich aber gut), finde aber nichts, das an die Existenz eines LAN erinnert und die Unterprogramme tragen alle kryptische Namen, so dass über deren Zweck nur Eingeweihte oder Leute die mehrere Linux-Bücher gelesen haben etwas wissen können.

20:18 UHR Eigentlich weiß ich nicht viel, oder besser gesagt nichts, aber trotzdem suche ich eine Netzwerkumgebung.

20:18 UHR Ein schneller, gewohnter Doppelklick auf ein Icon öffnet direkt zwei Arbeitsflächen, ein auf den ersten Blick sehr abschreckender Eindruck. Aha, dieses Linux verhält sich auch wie ein Internetbrowser, jeglicher sofortiger Erkennungszweck ist abgeschaltet. Da ich der einzige Benutzer dieses Rechners bin, brauche ich keine zwei Arbeitsflächen, und da ich nicht weiß, wo man das konfiguriert und wie Arbeitsfläche auf englisch heißt, zugleich darauf hoffe, später Sinn und Zweck dieser Einrichtung zu verstehen, beschränke ich mich auf ein rasches Abschalten der zweiten Arbeitsfläche, damit wieder Ordnung auf dem Desktop herrscht und der Überblick leichter ist.

20:19 UHR Wo ist nur diese Netzwerkumgebung?

20:19 UHR Nach einem schnellen Griff zum Knopf eines Umschalters zeigt der Monitor den Desktop eines Zweitrechners an, der, minimal konfiguriert und natürlich unter Windows laufend, dank Flatrate rund um die Uhr mit dem Internet verbunden ist und mir so Zugriff auf das Wissen der Menschheit gewährt. Die Eingabe von „Knoppix + Netzwerkumgebung“ führt mich auf eine Seite, die zwar nicht die gesuchte Information enthält, aber immerhin mitteilt, welches Programm für die Eingabe einer IP zuständig ist. Da ich das sowieso vorhatte und ich weiß, dass dieses zwingend notwendig ist, und ich außerdem keine Zeit für eine stundenlange Recherche und ein Stochern im Ungewissen habe, entscheide ich mich dieses sofort zu erledigen.
Das dafür benötigte Programm übernimmt anscheinend nur die Bootmeldungen, zeigt ebenfalls keine Chipbezeichnung an, so dass ich nicht genau weiß, ob ich nun der richtigen Netzkarte eine Kennzahl zugewiesen habe.

20:20 UHR Netzwerkumgebung, ich find dich noch!

20:20 UHR Fröhlich suche ich weiter, durchstreife die Menüs.
Zwei Programme mit unaussprechlichem Namen, und deren Sinn im Dunkeln liegt, verlangen nacheinander die Eingabe eines Root-Passwortes. Abgesehen von der Tatsache, dass ich niemals vorher aufgefordert wurde ein solches einzugeben, beende ich die unaussprechlichen Programme, da ich irgendein Benutzer mit unbekannten Rechten oder Nichtrechten bin, und mich eine derartig vorkonfigurierte Impotenz im Rücken sowieso handlungsunfähig macht. Meiner Meinung nach machen Domänen, Passwörter sowie Benutzer und deren Rechte am Arbeitsplatz oder in einem Unternehmen durchaus Sinn, aber in einer Privatwohnung hat dererlei zeitraubender Mechanismus nichts verloren. Wenn ich Interesse an Kontrolle in meinen eigenen vier Wänden hätte, könnte ich mir auch direkt eine Stechuhr auf den Schreibtisch stellen. Ein Computer sollte mir nur helfen, eigene Einfälle schnell und sicher zu realisieren und diese zu speichern, sonst nichts, da erwarte ich keine Weltwunder, sondern eine Erleichterung, und will auch keinen Tresor oder ein Buch mit sieben Siegeln auf dem Schreibtisch haben.

20:20 UHR Vielleicht liegt es ja an mir, bin ich zu doof für Knoppix und Linux…Trotzdem kein Gedanke an Aufgabe.

20:21 UHR Für einen Augenblick spiele ich mit dem Einfall, ein entsprechendes Man-File aufzurufen, verwerfe diese Idee aber sofort wieder, da eine derartige Datei komplett in englisch und somit unverständlich ist. Zwar verfüge ich über ein Programm, das einen markierten Text nach eigener Aussage sofort übersetzt, in der Praxis aber zu einen fürchterlichen Kauderwelsch verwurstet, ähnlich der Ausdrucksweise eines radebrechenden Gastarbeiters, der erst wenige Tage in Deutschland ist. Das Endergebnis ist zwar in Deutsch und somit halbwegs verstehbar, aber leider läuft dieses Programm unter Linux nicht.
Da mir nichts anderes mehr einfällt, klicke ich die KDE-Hilfe an.
Wenigstens diese erinnert an Windows, ist genauso unbrauchbar wie dessen Hilfetexte. Zwar wird hier auf abgehobene, technische Erläuterung und eine Schilderung von Optimalfällen, in denen man eigentlich keine Hilfe braucht, verzichtet, aber dafür ist diese Hilfe sehr mager, schwammig formuliert und überhaupt keine Hilfe. Zusätzlich ist dieser dünne Eintopf angereichert mit Werbung, meist Eigenwerbung, die mir sagen will, dass sich die ganze Welt nur um KDE dreht und überhaupt KDE unverzichtbar ist.
Da ich so etwas nicht brauche und hier sowieso keine Infos finde, schalte ich angewidert die Hilfe wieder ab.

20:22 UHR Suche weiter. So schnell gebe ich nicht auf…

20:25 UHR Bisher eine Netzwerkumgebung nicht gefunden, dafür ungefähr tausendmal das Wort „Server“ gesehen, so was gibt es hier nicht, und so was kommt mir auch nicht ins Haus.
Langsam werde ich wütend. Ich glaube, wenn jetzt jemand herein käme und laut „Server“ rufen würde, könnte ich diese Person mit wachsendem Genuss langsam foltern.

20:29 UHR Niemand kam herein und immer noch keine Netzwerkumgebung gefunden.

20:30 UHR Einer plötzlichen Idee folgend, klicke ich auf eine Textdatei, um sofort einen Einfall auf Festplatte zu bannen. Nach einer kurzen Warterei öffnet sich ein Textverarbeitungsprogramm und danach die angeklickte Datei. „Schön“, denke ich, „Jetzt kann ich auch behaupten, mal mit Linux kreativ gearbeitet zu haben….“ Aber leider wird aus meinen Träumen nichts, noch bevor ich eine Taste drücken kann, verschwindet der Cursor auf Nimmerwiedersehen. Nach einigen Sekunden erschreckten Starrens umtreibt mich die Angst, dass meine Idee genauso wie der Cursor ins Nirwana verschwinden könnte, und da ich nicht weiß, ob ich ein Recht auf dieses Programm, ein Recht auf einen Cursor oder überhaupt zu irgendwas Recht habe, fühle ich mich plötzlich sehr müde und beschließe Knoppix sofort zu beenden.

20:30 UHR Die Netzwerkumgebung ist vergessen, der Gedanke hieran als verzichtbare Spielerei abgelegt. Jetzt zählt nur noch meine Idee.

20:30 UHR Linux fährt herunter, die CD wird aus dem Laufwerk genommen, und landet auf einem Stapel vergessener Silberlinge, während Windows wieder mehrere Minuten braucht um überhaupt zu starten. Um die Zeit zu nutzen begebe ich mich in die Küche, möchte neuen Kaffee aufsetzen, ziehe dabei ein Resümee meiner neuen Erfahrungen. Einmal gelernt reicht, einmal durch Passwörter und seltsame Programmbezeichnungen gewühlt ist genug, sage ich mir. Wenn mir der Sinn nach Forschung steht, gehe ich diesem Anliegen lieber bezahlt nach, oder wähle den Zeitpunkt selbst. Linux erinnert mich immer noch an den Versuch, eine eierlegende Wollmilchsau zu kreieren. Einerseits soll dieses Betriebssystem auf den Schreibtischen heimisch werden, andererseits wird versucht, jeden Unternehmer glücklich zu machen. Na ja, vielleicht probiere ich es morgen noch mal, oder nächstes Jahr, oder wenn der SSV Ulm deutscher Fußballmeister geworden ist, oder oder oder….
Windows ist endlich hochgefahren, nachdem ich drei nichtssagende Fehlermeldungen weggeklickt habe kann ich meinen Einfall sichern.
Aber immerhin noch schneller als mit Linux.
Ein gutes hat so eine CD ja, das aufwändige installieren und löschen entfällt…

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